Eigenkirchenwesen

„Eigenkirche“ ist der von Ulrich Stutz geprägte Begriff für „ein Gotteshaus, das dem Eigentum oder besser einer Eigenherrschaft derart unterstand, daß sich daraus ... nicht bloß die Verfügung in vermögensrechtlicher Beziehung, sondern auch die volle geistliche Leitungsgewalt ergab“. Die einzelne Kirche wird also sachenrechtlich als Vermögensobjekt in der Hand desjenigen aufgefaßt, auf dessen Grund sie errichtet war. Die Herrschaft erstreckte sich auf die Nutzung des gesamten der Kirche zugehörigen Gutes sowie der bei ihr eingehenden Einkünfte und schloß grundsätzlich auch alle Formen des privatrechtlichen Verkehrs sowie die Erblichkeit ein. Die an der Eigenkirche tätigen Geistlichen standen in wirtschaftlicher und rechtlicher Abhängigkeit vom Grundherrn, der damit die kanonische Autorität des zuständigen Bischofs beeinträchtigte und in der Praxis vielfach aufhob. Als Eigentümer erscheinen Laien (bes. Herrscher und Adlige), einzelne Kleriker, Klöster und Bischöfe (in fremden Sprengeln); als Objekte kamen neben einfachen Oratorien auch Pfarrkirchen, Stifte und Klöster, in Extremfällen sogar Bistümer in Betracht. In unterschiedlichen Ausprägungen ist das Eigenkirchenwesen im früheren MA in ganz Europa verbreitet gewesen. Den Ursprung hat Stutz von einem vorchristlichen Hauspriestertum hergeleitet, doch überwiegt heute die Auffassung, das Eigenkirchenwesen sei als Ausdruck der Grundherrschaft zu verstehen (Dopsch).