Ostsiedlung

Bezeichnet den Prozess der Besiedlung und Akkulturation, der in den Gebieten östlich der Reichsgrenze des ausgehenden 11. Jhds. bis zum Finnischen Meerbusen, zum Schwarzen Meer und zur Save vornehmlich durch deutsche Bauern, Handwerker und Kaufleute getragen wurde. Die überwiegend slawischen / baltischen Gebiete östlich der Elbe und Saale waren wenig besiedelt.

Sie schließt sich an die Eroberungen Karls des Großen im Zuge seiner Expansion des Frankenreichs und dessen Sicherung durch Grenzmarken an. Die Ostgrenze war einem ständigen Druck der Nachbarvölker ausgesetzt. Im Norden waren es die Dänen, im Osten verschiedene Slawische Völker sowie die Magyaren (Ungaren). Die Überbevölkerung im ländlichen Bereich und Landflucht setzte im 11. Jhd. ein.

Unter Ludwig dem Deutschen und Arnulf von Kärnten kam es zu ersten Siedlungswellen von Franken und Bajuwaren im Raum der heutigen Slowakei (dem damaligen Pannonien). Man versuchte die Bevölkerung im Inneren durch Missionierung ins Reich zu integrieren. Wo dies fehlschlug, wurde Gewalt angewandt (Wandenkreuzzug 1147). Parallel versuchte man mit modernen landwirtschaftlichen Methoden und rechtlich verwaltungstechnischer Organisation die Marken auszubauen und das Land samt der Fürsten, die dann Reichsfürsten wurden, als deutsche Länder ins Reich einzugliedern.

Stabilisierung und Etablierung der Grenzmarken nach kurzen Unterwerfungsfeldzügen jenseits der Reichsgrenze durch Ottonen und Salier.

Hauptphase: 12.-14. Jh.: Deutscher Siedlungsraum wird um ein Drittel erweitet. Wird zunehmend durch die Termini "Kolonisation zu deutschem Recht" bzw. "deutscher Kolonisation" ersetzt.

  • Teil einer umfassenden europäischen Bewegung des Landesausbaus und der Rodungssiedlung, die u.a. auf den Bevölkerungszuwachs des Hochmittelalters zurückzuführen ist. *Löste in Ostmitteleuropa einen großen Modernisierungsschub aus, von dem u.a. die Hanse profitierte.

Phasen

  • Südosten des Reiches: Ostalpenraum -- vor allem die bajuwarische Siedlung ist schon seit der Karolingerzeit und dann wieder nach 955 (Sieg über die Ungarn) in den Ostalpenraum und das östliche Alpenvorland vorgetragen worden.
  • (:arrow:)nicht nach deutschem Recht -- kein Aufruf der Fürsten)
  • 1113: Ansiedlungsurkunde des Erzbischofs von Bremen für holländische Bauern in den Wesermarschen: Beginn der hochmittelalterlichen Ostsiedlung -- Holländer und Flamen gehörten auch zu den ersten Siedlern östlich der Elbe; sie kamen aus den wirtschaftlich fortgeschrittensten Teilen des Reiches.
  • 1147: Wandenkreuzzug
  • 12. Jhd.: Besiedlung des Landes östlich der Elbe-Saale Linie nach dessen Eroberung und gewaltsamer Unterwerfung sowie Missionierung der dortigen Elbslawen.
  • 13. Jhd.: Neue Besiedlungswelle in Böhmen mit den Premysliden, im 13. Jhd. kulturelle Blüte der deutschen Kultur (Dichtung, Kunst, 1348 Karls-Universität in Prag von Karl IV. gegründet
  • Mitte des 14. Jhd.: Abbruch - Pestepidemie, ertragreiche Siedlungsgebiete bereits besetzt

Merkmale

Siedlungstätigkeit: von deutschen und slawischen Fürsten und ihren ritterlichen Dienstmannen betrieben.

  • Versprachen sich von ihr Vorteile für ihre Herrschaftsgebiete (Pommern, Schlesien, Böhmen, Mähren, Polen, Ungarn).
  • West-Ost-Kulturgefälle: Der Vorteil deutscher Bauernansiedlung bestand in ihrer fortgeschrittenen landwirtschaftlichen Technik und Organisation.
  • Bevölkerungsüberschuss im Altsiedelland vs. starke Aufnahmefähigkeit in Osteuropa.
  • Bereits ersten Siedlern wurden persönliche Freiheit und Freizügigkeit, Erbzinsleihe des Grundbesitzes, etc. eingeräumt. Keine Frontdienste. Neben Fürsten oder in ihrem Auftrag bemühten sich auch Bischöfe und Prämonstratenser - sowie Zisterzienserklöster - besonders um Neusiedlungen.

Entscheidend für wirtschaftliche Entwicklung Ostmitteleuropas: Stadtgründungen. Ausbreitung der Stadt/Ostsiedlung allgemein erfolgte in 3 Hauptrichtungen:

  • an Ostseeküste entlang bis nach Estland
  • Mittelgebirgsschwelle bis in Karpaten
  • südostdeutsch-ungarischer Raum

Von großer ökonomischer Bedeutung: Gold- und Silberbergbau, der im sächsischen Erzgebirge (1168), Schlesien (1200), in Böhmen und Mähren (seit 1220) betrieben wurde.