Goldene Horde

Ein nach den goldenen Deckplatten des Herrscherzeltes benannter mongolischer Teilstaat, der zwischen 1237/40 und 1502 weite Teile Osteuropas beherrschte. Hauptstadt war Alt-, dann Neu-Sarạj an der Volga. Die Bedeutung der Goldenen Horde beruhte auf der Oberherrschaft über die meisten altrussischen Fürstentümer, die durch ihre Tributleistungen die Goldene Horde weithin wirtschaftlich trugen. Dazu kam die Ausfuhr von Sklaven sowie von Pelzen, Fischen und Getreide. Diese Waren gingen nicht nur in den Nahen Osten und nach Byzanz, sondern durch die Vermittlung der Kolonien Genuas (seit 1267) über das Mittelmeer ins westliche Europa. Die Goldene Horde war religiös tolerant und gewährte der russischen orthodoxen Kirche vielerlei Privilegien. Die Macht der Goldenen Horde wurde seit 1359 durch Bürgerkriege und Kämpfe mit den Russen und dem neu aufkommenden Litauen geschwächt. 1480 hörte die Oberherrschaft der Goldenen Horde über Rußland auf; 1502 wurde ihr letzter Chan vertrieben. Seit der Mitte des 15. Jh. hatten sich jedoch Teilstaaten abgesondert, die weiter Einfälle nach Innerrussland unternahmen und so die Tartarenfurcht aufrechterhielten.

nach LdMA:

Goldene Horde

benannt nach den goldenen Deckplatten des Herrscherzeltes; russ. Zolotạja Ordạ in islam. Quellen weithin Qypčaq, mongol. Teilstaat (→Mongolen), der zw. 1237/40 und 1502 weite Teile Osteuropas beherrschte. Seine Grenzen reichten im 13. Jh. etwa von der mittleren Volga, der Kama, dem Tobọl und dem Ural zu den Pripet-Sümpfen und bis an den Aralsee, das Kasp. Meer und den Nordfuß des Kaukasus. Schlesien, Mähren und Halič blieben trotz mehrerer Anläufe (1241, →Liegnitz; 1259, 1286) außerhalb des Herrschaftsgebiets der G.n H., das im 14. und 15. Jh. zusehends schrumpfte. Hauptstadt war Alt-, dann Neu- →Sarạj an der Volga (nahe Volgograd) (Ausgrabungen 1926). - Die Bedeutung der G.n H. beruhte auf der Oberherrschaft über die meisten altruss. Fsm.er, die durch ihre Tributleistungen die G.H. weithin wirtschaftl. trugen. Dazu kam die Ausfuhr von Sklaven (bes. zu den →Mamlūken in Ägypten) sowie von Pelzen, Fischen und Getreide. Diese Waren gingen nicht nur in den Nahen Osten und nach Byzanz, sondern durch die Vermittlung der Kolonien →Genuas (seit 1267) an der SO-Küste der →Krim (Mittelpunkt →Caffa) über das Mittelmeer ins westl. Europa. Der Landweg über die Moldau und Halič (Stapelplatz →Lemberg) trat demgegenüber zurück. - Aus Ägypten kamen vielfach Künstler und (später) islam. Theologen. Aus dem westl. Europa wurden fläm. Tuche, Töpferwaren und Geschmeide importiert. Der Handel mit Iran trat wegen der polit. Differenzen zurück.

Die G.H. war religiös tolerant und gewährte der russ. orthodoxen Kirche vielerlei Privilegien, die als Dokumente weithin noch heute erhalten sind. Die gegenüber der mongol. Herrschaft anschmiegsame Kirche vermochte die Einheit des Volkes gegenüber den vielen Fs.en und das christl.-byz. Erbe gegenüber der mongol. Kultur zu bewahren und auch manche Übergriffe der Mongolen abzuwenden. Seit 1261 gab es ein russ. Bm. in Saraj. Das kirchl. Zentrum verlagerte sich 1326 von →Kiev nach →Moskau; dessen Herrscher wurden seit 1328 - mit der Dynastie in Saraj verschwägert - dauernd als →Großfürsten anerkannt und hatten nun für die Ablieferung des Tributs einzustehen. Den Ostslaven blieb durch die mongol.-tatar. Oberherrschaft ein Ausgreifen nach Mitteleuropa und Vorderasien auf Jahrhunderte hinaus versagt. Damit war die G.H. ungewollt ein Hüter der staatl. Ordnung in diesen Gebieten. Verwaltung, →Post- und →Heerwesen Altrußlands wurden von den Mongolen wesentl. beeinflußt (vgl. die entsprechenden russ. Lehnwörter aus dem Mongol.).

Die Herrschaft wurde von →Dschingis Chāns Enkel →Bātū (gest. 1255) eingerichtet. Zu Ende des 13. Jh. unterstand ihr auch Donau-Bulgarien. Mit Byzanz wurde ein Ausgleich wegen der Durchfuhr der Sklaven durch die Dardanellen erreicht (Vertrag v. 1281). - Die G.H. geriet bald in einen Gegensatz zum Reich der →Ilchāne in Iran und war deshalb lange mit dem Ägypten der Mamlūken verbündet. Kaukasien ging an Iran verloren, blieb aber bis 1357 umkämpft. Ein Ausgleich der Īlchāne mit den Mamlūken 1323 lockerte deren Verhältnis zur G.n H.

Chan Berke (1256-67) nahm den sunnit. Islam an, der durch den Übertritt des Chans Özbeg (1313-41) endgültig Staatsreligion wurde; die Tataren wurden dadurch immer stärker mit der Kultur des Nahen Ostens verbunden. Abendländ. Missionsversuche (→Mission) Papst Johannes' XXII. (1316-34) blieben erfolglos. Die Annahme des Islams förderte die Verschmelzung der zusammen eingedrungenen Mongolen und →Türken mit alt-einheim. Türkvölkern; sie wurden dadurch zum Neuvolk der (Volga-)Tataren mit einer eigenen Türksprache. Das hat sie bis heute vor einem Aufgehen im orth. Russentum bewahrt.

Die Macht der G.n H. wurde seit 1359 durch Bürgerkriege und Kämpfe mit den Russen und dem neu aufkommenden →Litauen geschwächt; diesem fiel um 1370 Kiev in die Hände. Die Verbindung zum Mittelmeerraum wurde durch die osman. Inbesitznahme der Dardanellen 1354 unterbrochen. 1380 gelang dem Großfürsten →Dmitrij (Donskoj) auf dem Schnepfenfeld (→Kulọkovo pọle) ein erster Sieg über tatar. Kräfte, auf den freilich Rückschläge folgten. Nach einer zeitweiligen Festigung unter →Tīmūrs Schützling Tochtamysch (1376-95) und dem Hausmeier Edig (gest. 1419) zerfiel die G.H.; eine Anzahl Prätendenten verband sich wahlweise mit den russ. oder litauischen Großfürsten und verlor laufend an Einfluß. 1480 hörte die Oberherrschaft der G.n H. über Rußland auf; 1502 wurde ihr letzter Chan vertrieben. Seit der Mitte des 15. Jh. hatten sich jedoch Teilstaaten abgesondert: →Kazạn' (bis 1552), →Ạstrachan' (bis 1557), Sibirien (bis 1584) und das Chanat der Krim (bis 1783), das - seit 1475 mit den Osmanen verbunden - von Zeit zu Zeit noch Einfälle nach Innerrußland unternahm, wo die Tatarenfurcht noch lange lebendig blieb (vgl. russ. Sagen und Volksüberlieferungen). →Tataren.